Unser zweiter Abend bei Young Euro Classic 2023 wurde vom Greek Youth Symphony Orchestra unter Leitung von Dionysis Grammenos gestaltet. Das Orchester spielte Werke von Franz Liszt, Launy Grøndahl und Johannes Brahms. Pate des Abends war Stefan Raue, der Intendant des Deutschlandradio. Er führte sehr kompetent in die musikalischen Aspekte des Abends ein. Musikalisch eröffnet wurde das Konzert die üblich von Iván Fischers Festivalhymne, diesmal in einer Fassung für Streichquintett, die leider nicht überzeugte. Offenbar war es die Bearbeitung des Komponisten, die für Streichorchester gedacht war, aber die Wiedergabe mit Solisten erzeugte nur einen sehr dünnen Klang, was schade war.

Das ganze Orchester kam dann in der symphonischen Dichtung »Prometheus« von Franz Liszt zu Wort. In knackig kurzen 13 min. präsentiert der Komponist ein dramatisches Geschehen, das die Farben der Blechbläser stark herausstellt, zum Teil scheinen sie mit den Streichern in Wettstreit zu treten. Insgesamt sehr temporeiche und temperamentvolle Musik! Zwischendurch fragte ich mich, ob ein programmatischer Titel für solche Musik förderlich oder eher hinderlich ist – sollte nicht letzten Endes die Musik für sich stehen können? Als Liebhaber absoluter Musik ist das zumindest meine Überzeugung. An dem alten Richtungsstreit des 19. Jahrhunderts möchte ich mich dennoch nicht beteiligen, das Stück von Liszt hat mit und ohne außermusikalische Ebene beeindruckt und gefallen.
Es folgte eine Rarität: das Posaunenkonzert von Launy Grøndahl aus dem Jahre 1924. Der Däne wäre wohl bis heute außerhalb seines Heimatlandes unbekannt, wenn er nicht eben eines der selten Solokonzerte für die Posaune hinterlassen hätte. Stilistisch kam das Werk überraschend konservativ daher: Es dominierten spätromantische Klänge – von den Modernismen der Entstehungszeit kaum eine Spur. Das enttäuschte mich etwas, hatte ich doch eine insgesamt progressivere Herangehensweise und einer herbere Klangsprache erwartet. Nichtsdestoweniger war das Konzert sehr klangschön und ließ den Solisten, der wohl auch keine ganz leichte Stimme zu spielen hatte, in reizvolle Dialoge mit dem Orchester treten. Auch dieses Werk eher kurz: Nach kaum einer Viertelstunde war der Spaß vorbei.

Nach der Pause wurde die 1. Symphonie c-Moll op. 68 von Johannes Brahms gegeben. Ich liebe vieles von Brahms, seine Symphonien gehören natürlich auch dazu. An seinem Erstlingswerk hatte Brahms lange gearbeitet. 14 Jahre vergingen von den ersten Skizzen bis zur Uraufführung – so lange brauchte er, um sich vom Erbe Beethovens »freizuschreiben«. So hört man im Finale Anklänge an das Finale der Neunten, das ganze Werk aber ist exzellenter Brahms: Was ich an seinen Werken besonders liebe, sind die in lakonische Strenge geborenen Schönheiten, die kein schmückendes Beiwerk brauchen, sondern aus sich selbst heraus leuchten, getragen von allgegenwärtigem Kontrapunkt – oft werden kleinste Motivzellen zur Basis allen Geschehens. Die 1. Symphonie ist ein Musterbeispiel dafür. Je öfter man sie hört (und ich habe sie oft gehört), desto mehr Bezüge werden einem bewusst. Der Kopfsatz besticht schon in der Exposition durch Dramatik; in der Durchführung wird diese noch weiter zugespitzt, und auf dem Höhepunkt lässt Brahms die Reprise beginnen! Der zweite Satz ist von vollendeter Schönheit in melodischer Hinsicht: Das Oboenthema zum Anfang, und als besondere Klangfarbe die Solovioline gegen Ende des Satzes… Das Finale führt dann alles zusammen. Es treten allerlei gegensätzliche Charaktere auf: eine langsame Einleitung, dann die markante Hornmelodie (Alpengruß an Clara Schumann), ein Posaunenchoral und schließlich das Hauptthema in den Streichern. Die Symphonie endet nach einem großen Accelerando mit einem befreiten Endspurt in C-Dur, gleichsam das Motto per aspera ad astra von Beethovens Fünfter nachbildend – »Sehr her, ich kann es auch!«. (In seiner anderen Mollsymphonie, der Vierten, hat Brahms das dann nicht mehr gemacht. Diese endet apokalyptisch.)
Das Orchester bedankte sich beim Publikum mit einer Zugabe, nachdem der Dirigent verraten hatte, wie sehr er und die Musiker die deutschen Komponisten schätzten – und trat sogleich den Beweis an, indem er Wagners Vorspiel zum 3. Aufzug des »Lohengrin« präsentierte, zu dem einige Spieler die Bühne betraten, die bis dahin noch gar nicht mitgespielt hatten (4. Posaune, Tuba, Schlagwerk). So endete gegen 22 Uhr eines der kürzesten, aber nicht minder spannenden Konzerte der YEC-Geschichte.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*