Das Abschlusskonzert des diesjährigen Festivals wurde vom niederländischen Nationaal Jeugdorkest unter Alexander Shelley bestritten. Es begann wie alle Abende mit der Festivalhymne von Iván Fischer. Dann folgte jedoch nicht die Einführung durch den Paten des Abends, sondern eine Preisverleihung: Der Gewinner des Europäischen Kompositionspreises für die beste im Festival präsentierte Ur- bzw. deutsche Erstaufführung wurde bekanntgegeben. Das Wort ergriff die Vorsitzende der Jury, eine nette Dame mit erkennbar asiatischem Akzent. Der Gewinner betrat die Bühne, und es folgte etwas Durcheinander – wer steht wann wo?, Händeschütteln, die Urkunde wurde hin- und hergereicht, dann auch noch der übergroße Scheck mit dem Preisgeld… Ein Auftakt, der zum Schmunzeln einlud.

Das eigentliche Konzert begann mit der symphonischen Dichtung Don Juan op. 20 von Richard Strauss, dem Werk eines 24-jährigen. Das ist deshalb bemerkenswert, weil das Stück in Sachen Harmonik, Kontrapunkt und Orchestrierung bereits ein reifes Meisterwerk ist und somit wenigstens kompositorisch hochanspruchsvoll. Die jungen Interpreten hatten offenbar auch Freude an dieser kraftvollen und leidenschaftlichen Musik, sie spielten tadellos und sehr schwungvoll – ein toller Auftakt dieses Konzertabends!
Es folgte das Violinkonzert d-Moll op. 15 von Benjamin Britten. Dieses Werk war mir nicht bekannt, so wie mir viele Kompositionen von Britten nicht bekannt sind. Ich weiß nicht, warum mir seine Tonsprache nicht liegt – es ist eigentlich meine Epoche, und er bewegt sich in dem Bereich knapp um die Tonalität herum, den ich spannend finde… Trotzdem sind mir seine Werke bisher fremd geblieben. Das Violinkonzert bildete auch an diesem Abend keine Ausnahme. Die Solistin hat ohne Frage Beachtliches geleistet, das Werk ist schwer, sowohl inhaltlich als auch technisch. Das Stück machte einen ernsten Eindruck auf mich (der sicher intendiert war, es ist 1939 entstanden). Es gab auch Momente, in denen die Musik zu mir gesprochen hat, aber das waren wenige. Heute, fünf Tage nach dem Konzert, da ich diesen Bericht schreibe, kann ich keinen davon mehr nennen… Es wird wohl einfach Komponisten geben, die nicht zu mir passen, und wahrscheinlich ist Britten einer von ihnen.

Nach der Pause hörten wir die Symphonie Nr. 4 in G-Dur von Gustav Mahler. Ein Werk, das mir gut bekannt ist, obwohl ich andere Mahler-Symphonien durchaus häufiger gehört habe. Auch in der Vierten breitet Mahler wieder eine Welt vor uns aus: Das beginnt mit den Schellen am Anfang (die mich immer an eine winterliche Schlittenfahrt denken lassen), die dann in der Durchführung und auch im letzten Satz ziemlich spooky daherkommen. Das geht über die hochgestimmte Solovioline (in der Partitur glaube ich »Fidel« genannt) im Scherzo, die Variationen des langsamen Satzes bis hin zum überirdischen Sopransolo im Finale, wundervoll gesungen von Laetitia Gerards die nach dem Adagio in einem feuerroten Hosenanzug die Bühne betrat. Besonders in diesem Schluss-Satz werden die vielen Parallelen zu anderen Symphonien Mahlers offenbar. Einerseits sind hier die ersten drei Sätze der Vierten enthalten (markant z. B. das Schellenmotiv), aber auch das Trompetensolo vom Beginn der Fünften oder auch Motive aus dem Chorsatz »Bimm-Bamm« der Dritten sind hier zu hören. Somit bildet die Vierte den Schlusspunkt der Wunderhornsymphonien, weist aber bereits voraus auf das, was kommt.
Bemerkenswert neben vielem an diesem Werk: der Schluss. Die Musik hört nicht einfach auf, sie verschwindet gleichsam. Man hat den Eindruck, das Stück ginge noch weiter, wenn auch nicht mehr hörbar. So passte denn zu diesem Konzept auch der Umstand, dass wir ohne Zugabe in den lauen Abend entlassen wurden, mit dem unterschwelligen Gefühl, dass Mahlers Vierte noch gar nicht zu Ende ist…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*