Am letzten Mittwoch war das International Lutosławski Youth Orchestra bei »Young Euro Classic« zu Gast mit drei Werken, die alle im 20. Jahrhundert entstanden sind und doch grob unterschiedlich waren.
Den Anfang machte die Ouverture »Bianca da molena« op. 6 von dem in Deutschland kaum bekannten Mieczysław Karłowicz. Das Stück entstand 1900 in Berlin und bietet spätromantischen Schmelz, der eine Sagen(?)geschichte erzählt. Das Orchester unter dem aserbaidschanischen Dirigenten Ayyub Guliyev musizierte wirklich schön und machte Lust auf mehr von diesem Komponisten, der leider schon im Alter von 33 Jahren bei einem Lawinenunglück ums Leben kam.
Im Anschluss brachten die jungen Musiker einen der ganz Großen ihres Landes zu Gehör: den Namensgeber des Orchesters Witold Lutosławski. Sie spielten sein Cellokonzert von 1970, der Solopart wurde von Marcin Zdunik übernommen – auswendig! Das Stück ist sicher eine Herausforderung an sich; aber die komplizierte Partitur mit ihrer Aleatorik ohne Noten zum Leben zu erwecken, muss das Ganze nochmal erschwert haben. Der Solist spielte seinen Part denn auch überragend. Das Werk besteht aus vier Sätzen, die ineinander übergehen, aber gut abzugrenzen waren: Beginnend mit dem hartnäckig wiederholten D, das sich zu einer großen Kadenz ausweitet, bevor das Orchester hinzutritt. Dann ein Abschnitt von vier Episoden, immer unterbrochen durch harte Einwürfe des Blechs (das ansonsten schweigt). Es folgte eine Kantilene von Cello und Streichern, die sich am Ende in ein großes Unisono zusammenfindest. Und schließlich ein Finale, das mit den spannendsten Orchesterfarben und dramatischsten Ausbrüchen aufwartete. Den Kampf Blech gegen Violoncello gewinnt am Ende der Solist mit einem 14-fach wiederholten hohen A. Insgesamt vielleicht ungewohnte, aber absolut großartige Musik!
Nach der Pause erklang das Konzert für Orchester von Béla Bartók. 1945 entstanden, bildet es zeitlich und von der Tonsprache gewissermaßen das »arithmetische Mittel« der beiden bereits gehörten Werke. Das Orchesterkonzert ist hinlänglich bekannt, wird oft gespielt und ich habe schon einigen Aufführungen beigewohnt. Natürlich ist es gerade für Jugendorchester ein beliebtes Stück, da hier alle Orchestergruppen, insbesondere die Bläser, solistisch bzw. in Kleingruppen konzertieren können. Jeder kann sich also präsentieren, und das Ganze wirkt auch sehr attraktiv auf den Hörer. Es war wie immer eine Freude, das Stück zu erleben – und auch nach vielmaligem Hören entdeckt man noch neue Details, die die sonstige Vertrautheit mit dem musikalischen Geschehen angenehm würzen.
Als Erkenntnis nach dieser Aufführung blieb für mich, dass ich zu wenig Bartók höre. Diesem Umstand wird auf jeden Fall zeitnah mit der heimischen CD-Sammlung abgeholfen…