Zum ersten Mal zu Gast bei Young Euro Classic (YEC) war das »Orquesta Sinfónico Nacional Juvenil« aus der Dominikanischen Republik. Dem Paten des Abends Klaus Lederer zufolge hatte es erhebliche Anstrengungen gekostet, die finanziellen Mittel für die weite Anreise aufzubringen. Entsprechend euphorisch war dann auch das Orchester, dass die Teilnahme geklappt hatte.
Das Orchester brachte ein buntes, großteils europäisches Programm mit: Tschaikowsky, de Falla, Dvorák – wobei natürlich auch ein Beitrag aus der Heimat nicht fehlen durfte.
Das Programm begann mit der Fantasie-Ouvertüre zu »Romeo und Julia« von Peter Tschaikowsky. Sie gilt als erstes Meisterwerk des Russen und trägt (unüblich für Tschaikowsky) keine Opusnummer. Nach der langen, langsamen Einleitung erinnerte ich mich im Hauptteil sofort, das Stück schon gehört zu haben. Hochdramatisch und hochromantisch das Geschehen; das Orchester, souverän geleitet von Alberto Rincón, spielte sehr kraftvoll und mitreißend. Das lyrische Thema dann schwelgend-sehnsüchtig und auch absolut überzeugend. Unterm Strich ein toller Beginn eines denkwürdigen Konzerts!
Es folgte das Ballett »El Amor brujo« (Der Liebeszauber) des Spaniers Manuel de Falla. Von diesem Komponisten kenne ich bisher fast nichts, was sich evtl. ändern muss: Das Ballett ist überbordend farbig instrumentiert, im besten Sinne spanischer Impressionismus, also mit dem nationalen Kolorit und Temperament der iberischen Halbinsel versehen. Leider hatte ich zwischendurch den Eindruck, als wären einige Bläser etwas verstimmt. Genau konnte ich es nicht verorten, aber im Laufe des Abends fielen mir immer mehr die Hörner negativ auf. Einige intonierten sehr sauber, andere merklich zu hoch, was mich auf die Dauer dann doch störte.
Beim letzten Werk vor der Pause fiel das allerdings nicht ins Gewicht. Es handelte sich um das Stück »Punta Cana«, eine Uraufführung von Canoex Peguero-Camilo, der auch selbst im Saal anwesend war. Hier wurde sehr viel mit karibischer Perkussion gearbeitet: Congas, Bongos und verschiedene Rasseln kamen zum Einsatz. Das Stück bestach dann auch nicht durch emotionalen Tiefgang, sondern durch feurige Rhythmen, Lautstärke, tanzende Orchestermusiker und Fähnchen an den Trompeten. Im wahrsten Sinne des Wortes ein Feuerwerk der guten Laune.
Nach der Pause erklang die von mir oft gehörte 9. Symphonie e-Moll op. 95 von Antonín Dvorák. Ich kannte sie nur von CD, hatte sie nie im Konzert gehört. Gerne hätte ich es dabei belassen… Das Stück ist glänzend komponiert: Die Bezüge zwischen den Sätzen sind mannigfaltig, und zum ersten Mal überhaupt entdeckte ich beim Hören etliche (d. h. womöglich nicht einmal alle), durch die sich mir das Werk als absolut geschlossen, rund und – ja, perfekt gestaltet präsentierte. Wären da nicht die Bläser gewesen, die den Musikgenuss abermals empfindlich trübten, namentlich die Hörner mit ihren teils zu hohen, teils ziemlich verquietschten Einsätzen. Hinzu kam, dass der Dirigent offenbar Probleme hatte, die Balance im Orchester in den Griff zu bekommen. Manchmal wirkten die Streicher zu blass und leise, oft waren Schlagwerk und Blech zu laut. Dadurch war der klangliche Eindruck lange nicht so klar, wie er hätte sein können. Manche Stellen wirkten sehr breiig und lärmend, da hätte eine bessere Dosierung der Mittel gutgetan. Es war also deutlich zu hören, dass man es mit einem Jugendorchester zu tun hatte. In diesem Sinne möchte ich auch gar nicht werten, sondern nur feststellen, dass es mitunter eben doch Unterschiede zu einem arrivierten Klangkörper aus studierten und erfahrenen Musikern gibt.
Nach diesem schon recht langen Konzert (es war beinahe 22:40h) erwartete ich keine Zugabe. Meines Wissens sind diese im Rahmen von YEC sowieso nicht gern gesehen. Jedoch befand sich die karibische Perkussion wieder auf der Bühne, und das Orchester gab tatsächlich noch zwei Stücke aus der Heimat zum besten: Abermals feurige Merengue-Rhythmen ließen den Saal brodeln, das Publikum tobte, die jungen Musiker feierten ihren Erfolg, Fahnen wurden geschwenkt – selbst große Flaggen wurden auf der Bühne ausgebreitet, so dass ich befürchtete, jeden Moment würde die Security dem Nationalstolz der Gäste Einhalt gebieten. Doch das geschah nicht; und als das Publikum trotz Standing Ovations nach der zweiten Zugabe keine dritte zu hören bekam, sank die Stimmung so langsam wieder unter den Siedepunkt, und wir konnten um kurz vor 23h das Konzerthaus verlassen und uns unserem wohlverdienten Nach-Konzert-Bier widmen.