Ein knappes Jahr hatte ich mich auf diesen Abend gefreut: Gestern war unser erster Konzertabend von Young Euro Classic 2018. Ich war wieder mit meinen Bekannten aus dem TZO dort und wir haben in gewohnter Manier das Konzert incl. anschließendem Restaurantbesuch genossen.
Es musizierte das »Joven Orquesta Nacional de España« (JONDE) unter Leitung von Pablo González. Die jungen Spieler brachten eine deutsche Erstaufführung der spanischen Komponistin Alicia Díaz de la Fuente mit, außerdem hörten wir »Don Quixote« von Richard Strauss und das »Konzert für Orchester« von Béla Bartók. Nach der bekannten Fanfare von Iván Fischer sprach der Journalist Peter Frey die einleitenden, sehr freundlichen Worte – zum Teil in spanischer Sprache, was die Spieler sicher freute und das Publikum staunen ließ.
Das erste Werk »Llueven estrellas en el mar« war ein schönes Klanggemälde: In Pastelltönen zeichnete Alicia Díaz das Bild einer nächtlichen Meeresszene, die auf Meeresrauschen und tosende Brandung verzichtet und sich stattdessen auf dezente Impressionen setzt. Nächtliche Stille, Klang des Meeres, verlorene Möve, Geheimnis der Nacht u. a. waren Stichworte aus dem Einleitungstext der Komponistin. Sie erreichte das durch einen leicht bewegten Streicherteppich, über dem in einer zweiten Schicht die Bläserstimmen saßen, und oben auf nicht weniger als sieben verschiedene Kurzton- bzw. Schlaginstrumente: Harfe, Celesta, Klavier, Glockenspiel, Metallophon, Marimbaphon und Röhrenglocken. Ich liebe ja die Celesta und Röhrenglocken besonders, und so habe ich mich gefreut, diese Instrumente so exponiert und trotzdem geschmackvoll eingesetzt zu sehen. Mit 13 min. hatte das Stück eine angemessene Länge; mir sind schon kürzere Kompositionen der Neuzeit weit länger vorgekommen…
Es folgte »Don Quixote« op. 35 von Richard Strauss. Hier war denn auch die Bühne (leider im Gegensatz zum Publikumsraum) komplett besetzt. Großer Streicherapparat, komplette Bläserbesetzung und natürlich das Solo-Cello, hier meisterlich gespielt von Asier Polo. Das Werk ist ein Riesenschinken, und obwohl die Variationen im Programmheft genau bezeichnet waren, fiel es mir in der ersten Hälfte schwer, die Orientierung zu behalten. Beeindruckend ist natürlich die Leistung der jungen Spieler, die ältesten erst 24 Jahre, andererseits verkommt die vielstimmige Polyphonie von Strauss stellenweise zu einem romantischen Brei – manchmal etwas zu viel Sahnesoße für mein Empfinden. Nichtsdestoweniger haben die Interpreten zu Recht begeisterten Applaus empfangen, und der Solist bedankte sich mich einem spanischen Stück (ich habe leider nicht verstehen können, was genau), das zugleich wunderschön und aberwitzig virtuos war.
Im zweiten Teil erklang eines meiner Lieblingswerke Bartóks: das »Konzert für Orchester«. Am Ende seines Lebens im amerikanischen Exil geschrieben, erfüllt dieses Werk, das von allen Bartóks der Gattung Symphonie wahrscheinlich am nächsten kommt, mehrere Zwecke: Zum einen kam er dem Kompositionsauftrag des Boston Symphony Orchestra nach, sicherte so seinen Lebensunterhalt und konnte sich gleichzeitig beim amerikanischen Publikum beliebt machen. (Das Konzert gehört sicher nicht zufällig zu den eingängigeren, wenn nicht eingängigsten Kompositionen des ungarischen Meisters.) Und andererseits hat Bartók hier eindrucksvoll ein Fazit seines Schaffens gezogen und abermals sein Können, auch uns insbesondere im Bereich der Instrumentation, unter Beweis gestellt.
Was es für mich besonders macht, ist die Nähe zur Symphonie, die Kraft und Eingängigkeit der Themen, die Orchesterfarben, und der Schwung, den besonders die Ecksätze entwickeln. Das JONDE hat gestern Abend all das in hervorragender Weise umgesetzt und absolut mitreißend musiziert! Pablo González dirigierte exakt und engagiert, so das der sprichwörtliche Funke übergesprungen ist – auf die Bühne und ins Publikum.
Nach diesem langen Konzertabend passierte dann um 22:45h das Unerwartete: Die Spanier spielten noch zwei Zugaben! Zuerst das Vorspiel zum 3. Akt von Wagners »Lohengrin«, und anschließend einen Paso Doble als Reverenz an die iberische Heimat. Tosender Beifall entließ die jungen Musiker in ihren wohlverdienten Feierabend, und wir freuten uns auf ein kühles Bier und eine bairische Brotzeit.