Unser letzter Abend bei Young Euro Classic dieses Jahr wurde vom kasachischen Jugendsymphonieorchester gestaltet, genauer gesagt vom Eurasian Student Symphony Orchester of the Kazakh National University of the Arts. Was für ein Name! Das Programm bestand aus zwei großen Klassikern der romantischen Orchesterliteratur und einer Präsentation eines kasachischen Zupfinstruments, der Dombra.

Der Abend begannt mit dem wohl ersten Klavierkonzert der Romantik: Robert Schumanns op. 54 in a-Moll. Zuerst vom Verleger abgelehnt, ergänzte Schumann seine Phantasie um zwei weitere Sätze und machte so ein vollwertiges Klavierkonzert aus seinem Stück. Und das wurde zu einem echten Hit. Highlight der Aufführung war in unserem Fall die Solistin: Die junge Karina Nurlanovna Izmailova legte ordentlich Gewicht in die Tasten und gab dem Klavierpart eine Klangmasse, die der des Orchester gleichkam, wenn nicht übertraf (z. B. in der Kadenz). Wirklich beeindruckend, wie der Sound des Flügels den Saal erfüllte – wobei sie dem Instrument auch zarte Töne entlockte. Insgesamt also ein erquickendes Erlebnis; wenn es immer so dargeboten wird, erklärt sich der Kultstatus des Konzerts von selbst.
Bis zur Pause hatten wir Gelegenheit, die Dombra kennenzulernen, wie sie in Kasachstan bekannt ist. Ich kenne die russische Domra (ohne b), ein Zupfinstrument mit einem kreisrunden Korpus und drei bis vier Saiten, die als Vorläuferin der Balalaika gilt. Die kasachische Dombra hingegen ist eine sog. Langhalslaute mit nur zwei Saiten. Sie wird mit den Fingern gespielt und ähnelt mehr der türkischen Saz bzw. Bağlama. Zuerst hörten wir eine Bearbeitung des »Rondo alla Truck« von W. A. Mozart für Dombraensemble und großes Orchester. Das war schon etwas skurril: Acht Herren traten auf, knieten sich vor dem Orchester im Halbkreis hin und intonierten sodann das Hauptthema, während das Orchester die Begleitung übernahm. Schnell wurden die Zupfer aber übertönt von dem lärmenden Schlagwerk (Becken, große und kleine Trommel, Pauken) und dem Rest des Orchesters – man sah die Dombraspieler noch wirbeln, aber hören konnte man sie nicht… Das zweite Werk, das die Dombra mit Orchester präsentierte, war eine Originalkomposition des kasachischen Komponisten Nurghissa Tlendijew, der in seinem Heimatland fast wie ein Nationalheld gefeiert wurde. Er starb hochgeehrt und hinterließ mehr als 500 Werke verschiedenster Genres. Das Stück »Makhambel«, das wir nun hörten, trieb den Gestus der Mozartbearbeitung auf die Spitze: Ziemlich viel Lärm, viel Tempo, viel Schlagwerk, viel Gewirbel der Dombraspielern, die man leider wenig hörte – von den wenigen leisen Passagen abgesehen. Das Publikum war begeistert, aber die beiden Beiträge waren schon auch auf Effekt ausgerichtet, und den Haken konnte man auf jeden Fall setzen.

Nach der Pause ein weiteres Hauptwerk des romantischen Orchesterrepertoires: die 8. Symphonie in G-Dur op. 88 von Antonín Dvořák. Ich kenne sie gut, hatte sie aber längere Zeit nicht gehört und noch seltener im Konzert; somit freute ich mich auf ein »Wiederhören«. Und ein freudiges war es! Wunderbar vollgepackt mit herrlichen Melodien – so viele, dass Brahms dem Stück vorwarf, es enthalte zu viel »Fragmentarisches, Nebensächliches«. Mir war das nicht aufgefallen, bis ich diesen Satz im Programmheft las. Aber es stimmt: Sparsam ist Dvořák hier nicht mit seinem Material umgegangen, aber das hatte er auch nicht nötig. So viele Ideen, und um jede wäre es schade gewesen, hätte er sie im Stück nicht untergebracht. Das Orchester meisterte das Stück durchaus gut, wobei ich, was selten vorkommt, vereinzelt falsche Töne und Unsauberkeiten gehört habe. Ich vermute, der Dirigent versuchte, das durch Lautstärke und Tempo wettzumachen. Die Ecksätze hatten ein ordentliches Tempo, und auch der langsame Satz (im übrigen auch der des Klavierkonzerts) geriet für meinen Geschmack etwas zu schnell. Ein wenig fehlte mir die Ruhe. Nun denn, es war trotzdem oder gerade deswegen eine mitreißende Vorstellung!

Und das war Young Euro Classic für dieses Jahr. Im Oktober beginnt für uns die Saison 2024/25, und dann ist auch bald schon wieder YEC 2025…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*