Am unserem zweiten Abend bei YEC 2025 hörten wir dem niederländischen Nationaal Jeugdorkest zu. Es brachte ein sehr spannendes, größtenteils russisches Repertoire mit.

Nach der Festivalhymne von Iván Fischer erklang »Night Flight« von Joey Roukens (*1982). Was für ein temperamentvolles, rhythmisches Feuerwerk! Eine riesige chaotische Party, mein spontaner Gedanke war: So muss sich ADHS anhören, wollte man es komponieren. Man spürte, dass der Komponist der jungen Generation angehört, so ungestüm und überbordend die Musik. Später las ich, dass er das Werk als Pflichtstück für einen Dirigerwettbewerb komponiert hatte. Sehr passend, denn mit seinen vielen Taktwechseln in hohem Tempo gibt es für den Dirigenten hier einiges zu tun! Das Stück hat Roukens später als Scherzo in seine 1. Symphonie eingebaut – ein Stück, dass ich mir bei Gelegenheit auf jeden Falls näher ansehen werde.
Es folgte vor der Pause noch das 4. Klavierkonzert g-Moll op. 40 von Sergej Rachmaninow. Das vielleicht am wenigsten populäre Werk der Reihe: Das 2. und 3. Konzert sind die Publikumslieblinge, und das jugendliche 1. wird womöglich auch noch öfter gespielt als dieses hier. Es zeigt sich der reife Rachmaninow, der mit Konventionen bricht, mit dem Jazz liebäugelt und hier kein ausgesprochenes Virtuosenkonzert mehr schreibt, obwohl der Klavierpart auch hier erhebliche Schwierigkeiten birgt. Insgesamt fand ich das Werk hochunterhaltsam – auch wenn ich von den Strukturen kaum etwas verstanden habe. Damit meine ich die Form (Sonatenhauptsatz, oder auch nur eine dreiteilige Form), motivische Entwicklungen und Zusammenhänge… Man versteht natürlich den Charakter der Musik, aber ich höre gern »tiefer«. Das war mir bei diesem Stück nicht vergönnt. Ich werde es wohl noch einige Male (womöglich mit Partitur) hören.

Nach der Pause erlebten wir die zweite Riesenüberraschung bei YEC dieses Jahr: eine konzertante Aufführung von Strawinskis »Petruschka«. Zumindest dachten wir das. Letztendlich war es eine inszenierte Fassung mit dem ganzen Orchester als Tänzer bzw. Darsteller! Das war so ungewöhnlich und verblüffend, dass man es kaum beschreiben kann… Als erstes fielen uns Luftballons auf, die hinter der Bühne schwebten. Kurz nach Beginn der Musik lief jemand mit so einem heliumgefüllten Ballon über die Bühne – wie ein Jahrmarktbesucher. Er band den Ballon an seinem Notenpult fest und setzt sich hinter die Celesta. Dann gab es immer wieder synchrone Gesten einiger bis vieler Spieler: spontanes Aufstehen, plötzlich stellen sich die Streicher schlafend… Alles, während andere weiterspielen. Nach und nach wurde klar, dass tatsächlich das Ballett aufgeführt wurde! Die drei Jahrmarktpuppen Petruschka, die Ballerina und der sog. »Mohr« (auf dem Programmzettel aus Gründen der political correctness »der Schwarze« genannt) wurden mit farbigen Tüchern (rot, weiß, schwarz) dargestellt, und die immer wieder überraschenden gestischen Einlagen erzeugten nicht selten äußerst komische Effekte. Immer mehr Ballons erreichten die Bühne und wurden an verschiedenen Punkten arretiert. Später kommt es zum Kampf zwischen den Rivalen, und ganz am Ende, nachdem Petruschka getötet wurde, erscheint er uns doch noch einmal leibhaftig als Figur: mehrere rote Tücher markieren den Körper, darüber eine Geige als Kopf, tanzt er zur Musik und zeigt uns allen eine lange Nase. Was für eine brillante Idee, kongenial umgesetzt von dem Regisseur Peter Leung und dem jungen Orchester! Dieser Abend wird in die Geschichte eingehen.

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