Letzten Freitag war ich wieder im Konzerthaus zu Gast. Es sollte ein weiterer Höhepunkt der Konzertbesuche dieses Jahres werden. Auf dem Programm standen Mendelssohns 4. Symphonie und »Das Lied von der Erde« von Gustav Mahler. Es musizierten Chefdirigent Iván Fischer und das Konzerthausorchester.

Das Konzerthausorchester hören wir durchaus häufiger, der Chef höchst selbst ist seltener in Aktion zu sehen. Entsprechend teuer waren die Karten, und wir saßen folglich im zweiten Rang links, recht weit hinten, aber immerhin in der ersten Reihe.
Das leichte Stück– bzw. die lustigste Symphonie, die er je geschrieben habe, so der Komponist über seine Vierte – eröffnete den Konzertabend. Dirigent und Orchester präsentierten die Partitur besonders in den Ecksätzen schwung- und temperamentvoll, der langsame Satz hingegen mit seiner verhaltenen Melancholie erinnerte fast an die Mendelssohns 3. (die »Schottische«). Auch hier war akustisch alles in bester Ordnung – allein von der Aussicht im hohen 2. Rang hatten wir nicht viel. Wieder einmal schaffte es eine Frau direkt neben uns, sich als einzige im Saal (!) so weit auf die Brüstung zu lehnen, dass wir (insbesondere ich, der direkt neben bzw. hinter ihr saß) vom Geschehen auf der Bühne kaum mehr etwas sehen konnten. Ich nahm mir vor, um nicht zu schimpfen, mich nach der Pause woanders (also noch weiter nach hinten) hinzusetzen, um an dieser frechen Person vorbeisehen zu können.

Dazu kam es aber nicht, denn besagte Konzertbesucherin war in der zweiten Konzerthälfte mit ihrem Gatten nicht mehr zugegen. So konnten wir die freie Sicht auf das nun in voller Besetzung spielende Konzerthausorchester und die beiden Gesangssolisten genießen.
Mahlers »Lied von der Erde« nimmt eine Sonderstellung in seinem Gesamtschaffen ein. Komponiert nach der 8. Symphonie als Symphoniekantate, also eigentlich seine Neunte, die er aber aus Aberglaube und Angst, daran zu sterben, nicht so nannte. Er vertont verschiedene Gedichte aus einer chinesischen Sammlung, die aber auf dem Weg ins Deutsche so oft übersetzt, verändert und ergänzt wurden (nicht zuletzt von Mahler selbst), dass man eigentlich von Neudichtungen sprechen muss. Das spätromantische Orchester sieht u. a. auch Mandoline vor, die im vierten und letzten Satz erklingt. Hier erlaube ich mir ausnahmsweise, die Instrumentationsweise des großen Meister zu kritisieren, denn anders als in der 7. Symphonie (die neben Mandoline auch Gitarre vorsieht) ist im »Lied von der Erde« von der Mandoline annähernd nichts zu hören. Ich hätte mir gewünscht, dass Mahler der Mandoline an exponierten Pianostellen wichtige Soli gibt, um ihre Verwendung zu rechtfertigen. Allerdings wären dann die Fähigkeiten des Mandolinisten stärker zum tragen gekommen, an denen ich (insbesondere was Phrasierung und Tonbildung angeht) in aller Dezenz doch leichte Zweifel anmelden muss.
Schlussendlich bleibt von diesem Konzertabend ein überaus starker Eindruck, den Mahlers »Lied« auf meine beiden Begleiter und mich gemacht hat. Ein großes, weiträumiges Werk in herbstlichen Farben, das Abschied atmet, nach dem eigentlich kaum mehr etwas kommen kann – außer eine »echte« Neunte…

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